Ausschnitt aus dem Plakat „Mutti nimmt nur Union Briketts“ (© Foto: Historisches Konzernarchiv RWE)

Die Geschichte des Rheinlandes ist ohne den Kohleabbau und die Brikettherstellung undenkbar. Nicht nur zur Stromerzeugung, sondern auch als günstiges und zuverlässiges Heizmaterial hat das „schwarze Gold“ den Menschen im Rheinland über einen langen Zeitraum hinweg treue Dienste geleistet. Da jedoch in Bezug auf den Kohlebergbau die industrielle Seite weitaus öfter in Artikeln, Sachbüchern und Filmbeiträgen hervorgehoben wird als die des privaten Gebrauches, möchte ich hier die Gelegenheit nutzen, um meine Kindheitserinnerungen und die Erinnerungen meiner Eltern an die Braunkohle darzulegen.

Geboren und aufgewachsen in Bergheim, Erft, war mein Kontakt mit dem Thema Braunkohle unvermeidlich. Bergheim und seine dazugehörenden Dörfer und Kleinstädte sind als mustergültiges Braunkohlerevier bekannt. Mein Vater verbrachte den Großteil seines Arbeitslebens bis zum Rentenalter als Elektriker beim RWE-Kraftwerk Niederaußem. Schon in frühester Kindheit faszinierten mich die hohen Kühltürme, die für mich das Kraftwerk zur „Wolkenfabrik“ machten. Früh verstand ich, dass RWE als Energieversorger der Region von unverzichtbarer Bedeutung war, aber auch, dass dafür durchaus Opfer gebracht werden mussten, so zum Beispiel das Abbaggern des Dorfes Fortuna, einem Nachbarort von Niederaußem. Meine Eltern hatten dort einige Freunde und Bekannte, die unmittelbar von der Umsiedlung betroffen waren.

Eine „Wolkenfabrik“, Tagebau Inden und Kraftwerk Weisweiler. (© Foto: G. Fanton / LVR-ILR)

In der Grundschule waren die Väter mehrerer anderer Kinder ebenfalls bei RWE oder der Rheinbraun beschäftigt, bevor letztere in der RWE Power AG aufging. Nicht wenige von uns träumten davon, später auch einmal einen der mit Kohle beladenen Güterzüge zu steuern. Im Sachkundeunterricht lernten wir damals alles über den Schaufelradbagger, den wir sogar bei einem Ausflug aus der Nähe betrachten konnten, und dessen Modellbauversion unser Klassenzimmer zierte. Auch an das Bemalen von Kohlebriketts im Kunstunterricht kann ich mich lebendig erinnern.

Meine Eltern hingegen haben ganz andere Erinnerungen an die Braunkohle. Als Nachkriegskinder, aufgewachsen in Köln (Vater) respektive jenem Niederaußem (Mutter), war es vor allem das Ergattern der von den Güterzügen herabgefallenen Kohlestücke, das die Kindheit meiner Eltern prägte. Mein Vater, Jahrgang 1945, erzählte mir viele Male vom Stehlen der Knabbeln während seiner Kindheit in Köln-Bickendorf: Er wurde von seiner Großmutter, bei der er aufwuchs, auf die Schienen geschickt, wenn der Güterzug gerade vorbeigefahren war, um liegengebliebene Kohlestücke einzusammeln. „Das haben die Erwachsenen uns überlassen, weil man mit kleinen Kinderhänden besser zwischen die Schienen und Steine nach den Knabbeln greifen konnte“, erklärte mir mein Vater.
Die Kohlestücke waren während der von Mangel geprägten Nachkriegszeit eine willkommene Ersparnis in Form von „kostenlosem“ Heizmaterial. So erzählt meine 1954 geborene Mutter mir noch heute oft, wie sie und ihre Geschwister als Kinder alle jeweils mit einem Kohlestück und einem Handtuch ausgerüstet zum Haus ihrer Tante in der Nachbarschaft losgeschickt wurden, um mit der Kohle das Wasser in der „Badebütt“ zu heizen und nacheinander ein heißes Bad zu genießen – für die Kinder auf dem Dorf jedes Mal ein echtes Highlight. Das Stehlen der Knabbeln war de facto nicht legal, wurde aber geduldet. Der damalige Kölner Kardinal Frings hatte sich explizit dafür ausgesprochen. Interessanterweise war mir persönlich dieses weit verbreitete Phänomen jedoch nicht als „fringsen“ bekannt, sondern, wie meine Eltern es selbst nannten, als „Knabbele klauen“.

Plakat Brikettverwendung im Hausbrand + Gewerbe (© Foto: Historisches Konzernarchiv RWE)

Eine gemeinsame und gleichzeitig meine jüngste Erinnerung, die ich in Bezug auf die Braunkohle-Briketts mit meinen Eltern teile, ist der Betrieb eines kleinen, restaurierten Kohleofens aus den 1950er Jahren, der den zum Freizeitraum umfunktionierten Schuppen auf unserem Grundstück während meiner späten Jugendjahre beheizte. Richtig bedient überragt die Wärmeabgabe eines solchen Ofens jene elektrischer Raumheizungen um Längen. Oft sehne ich mich zurück nach den zahlreichen, gemütlichen Filmabenden, die wir als Familie auch an kältesten Wintertagen so zusammen verbrachten.

Ausstellungsraum mit Muster-Öfen, um 1955 (© Foto: Historisches Konzernarchiv RWE)

Mein persönliches Résumé ergibt, dass der Braunkohle trotz der umfassenden Umweltschutz- und Umsiedlungs-Debatten ein gewisser, den Charakter des Rheinlandes prägender Charme nicht abzusprechen ist. Verschiedene Generationen von Menschen aus sorgenfreien wie auch schwierigen Zeiten knüpfen schöne Erinnerungen an die Klütten.

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