Alter Kirchhof Holzweiler, 1925

Wenn man meint, dass heute Kommunalpolitik im Spannungsfeld von Bürgerwillen und Landespolitik schwierig ist und die Bürokratie sehr hoch, dann genügt ein Blick in alte Akten, um zu erfahren, dass es bereits vor über 100 Jahren Streitigkeiten gab, die viele Akten füllten. Um 1880 findet sich in der Pfarrchronik von Holzweiler folgender Eintrag:

„Unser Kirchhof ist unstreitig Eigenthum der Kirche, mag die Regierung zu Aachen sagen, was sie will.“

Was war geschehen?
Ein Landrat hatte die Bodenbeschaffenheit des bisherigen Kirchhofs bei der Beerdigung eines Pfarrers an einem sehr regnerischen Tag als sehr schlecht beurteilt und damit einen Regierungsentscheid zur Vergrößerung oder Verlegung des bisherigen Friedhofs ausgelöst. Der Kirchenvorstand reagierte darauf, indem er darlegte, dass der bisherige Friedhof trockenen Lehmboden hätte und daher weiterhin ausreichend sei. Dies wiederum wurde seitens der Regierung nicht akzeptiert, da der Kirchenvorstand nicht kompetent sei. Daraufhin unterstützte der Gemeinderat den Kirchenvorstand in seinem Anliegen des Friedhofserhalts neben der Kirche in der Dorfmitte.

Letztendlich war es ein Streit darum, wer den Kirchhof besitzt und daher zu entscheiden habe. Die Regierung in Aachen war nämlich der Meinung, dass durch die ehemals napoleonische Besatzung alle Kirchhöfe in das Eigentum des Staates übergegangen wären und damit nicht die Kirchgemeinde, sondern die Zivilgemeinde über alle Angelegenheiten zu entscheiden habe.

Trotz zwischenzeitlicher Vergrößerung des Kirchhofgeländes begann der Streit etwa 25 Jahre später erneut.

Der Bürgermeister erhielt im Juli 1905 vom Landrat die deutliche Anweisung, den Gemeinderat von einer Verlegung des Friedhofs zu überzeugen: „Sollte dieser (der Gemeinderat – d.V.) sich nicht entgegenkommend zeigen, so werde ich alle mir zu Gebote stehenden Mittel in Anwendung bringen, damit in dieser Beziehung die dringend erforderliche Besserung erzielt wird.“
Aber der Gemeinderat weigerte sich mit sieben gegen vier Stimmen, wobei die sieben Gemeinderäte, die gegen eine Verlegung waren, auch den Kirchenvorstand hinter sich wussten. Der Kreisarzt wurde vom Landrat für eine Analyse beauftragt, der das Argument des Landrates, der Friedhof sei zu klein und „verwesungsmüde, so dass die Leichen … zum Teil unversehrt bei Neubelegung der Gräber wieder zu Tage gefördert werden“, bestätigte.

Es muss daraufhin in einer Ratssitzung zu erregten Debatten gekommen sein, die in einem Protestschreiben an den Landrat gipfelten. Man benannte in diesem Schreiben Aussagen des Totengräbers gegen die „Verwesungsmüdigkeit“ und man bot eine Vergrößerung des Kirchhofs an. Andererseits betonte man die einsetzende Abwanderung: „Voraussichtlich nimmt die Seelenzahl der Gemeinde von Jahr zu Jahr ab, infolge der maschinellen Einrichtung der Landwirtschaft, und der Arbeiterstand sich der Industrie zuwendet.“

Schließung des alten Friedhofs 1906

Trotz des Protestes erfolgte am 19. Februar 1906 der Beschluss zur Schließung des Kirchhofs bereits zum 1. April, also anderthalb Monate später. Dieser Beschluss muss die Arbeit des Gemeinderates in den folgenden Wochen nahezu lahmgelegt haben, denn die nächsten Sitzungen wurden entweder durch das Verlassen der Sitzung beschlussunfähig oder die Kirchhofsfrage artete von einer „heftigen Debatte in Scandalieren aus“, wie der Bürgermeister dem Landrat mitteilte. Letztlich erfolgte von den Gegnern der neuen Friedhofsanlage eine Eingabe an den Justizminister. Die Antwort darauf kam als endgültige Entscheidung vom Regierungspräsident von Aachen im Februar 1907, der die Schließung des alten Kirchhofs bestätigte. Dies erfolgte dann zum 1. Juli 1908 und im Oktober desselben Jahres wurde der neue Friedhof kirchlich geweiht.

Einweihung des neuen Friedhofs 1908

Holzweiler, Neuer Kirchhof, 1938

In der im Torpfeiler eingemauerten Urkunde heißt es: „Obwohl die Bevölkerung sehr gegen die Verlegung war, wurde von der Regierung diese erzwungen. Durch den Bürgermeister… zu Immerath sind alle Schwierigkeiten behoben worden.“ und an anderer Stelle: „Die Antipathie war so stark, dass ein Geldgeschenk von dreitausendfünfhundert Mark zurückgewiesen wurde. Nach Erzwingen bis zu diesem Augenblick, in welchem alle Arbeiten bald beendet sind, findet man noch wenig Sympathien.“

Holzweiler, Neuer Kirchhof, 1938
Holzweiler, Neuer Kirchhof, 1938

Ein herzliches Dankeschön an Frau Riekel, die den Hinweis auf diese Geschichte gab.
Alle Bilder aus: Blaesen, Paul: Holzweiler – Ein rheinisches Dorf in preußischer Zeit 1815-1947, Mönchengladbach 1988.

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