Ein völlig zugewachsener Vorgarten und verbarrikadierte Fenster und Türen.
Verbarrikadierte Fenster und Türen …

"Wow" - dachte ich bei mir, als ich im Juli 2021 das erste Mal durch Morschenich-Alt fuhr - besser gesagt: das erste Mal durch einen leergezogenen Ort überhaupt. Als Volontärin im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte hatte ich die Möglichkeit, das damalige Projektteam zum Strukturwandel im Rheinischen Revier auf eine Exkursion zu begleiten. Wir trafen uns mit Philipp Huntscha vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, der verschiedene Studien zu Morschenich angefertigt hat und uns mit zahlreichen Informationen zum seit 2013 umgesiedelten Ort versorgte.

So viel zum Rahmen meines Besuchs des alten Ortes Morschenich im Sommer 2021. In dieser geSCHICHTE möchte ich von meinen Wahrnehmungen während des Aufenthaltes im umgesiedelten Dorf berichten.

Bereits die Einfahrt nach Morschenich - von Südwesten über die L257 kommend - ist mir in Erinnerung geblieben. Ich war beeindruckt. Leere Straßen, verlassene Häuser - einfach niemand zu sehen weit und breit. Dazu dicht bewachsene Vorgärten und von Pflanzen verschlungene Türen oder Garagen. In manchen Häusern hingen noch Gardinen, andere Fenster und Türen waren verbarrikadiert.

Je länger ich einen Garten oder ein Haus betrachtete, desto skurriler erschien mir die Szenerie. Ich wartete förmlich nur darauf, dass plötzlich hinter einem Busch oder an einem Fenster ein Gesicht auftaucht. Wie im Film ... Immer wieder betrachtete ich die überwucherten Gärten, Zäune und Häuser: Die Natur holt sich ihre Flächen zurück.

Einige Dorfbewohner*innen waren bzw. sind geblieben. Inmitten des verlassenen Dorfes fanden sich gepflegte Häuser und Vorgärten mit blühenden Blumen.

Nach der ersten Phase des Erstaunens dachte ich an die Menschen, die hier leb(t)en. Wie muss es sich anfühlen, seine "Heimat" zu verlieren? Wie lebt es sich alleine in einem verlassenen Dorf? Wie gehen die Betroffenen mit der Situation um, dass Morschenich nun doch nicht tagebaulich in Anspruch genommen wird?

Viele Fragen, die sich auch meine Kolleg*innen im LVR-Institut in unterschiedlichen Forschungsprojekten stell(t)en.

Projekte zum Rheinischen Revier

Die Ausstellung "Das Leben mit dem Loch" thematisiert den Alltag im Rheinischen Braunkohlerevier in Zeiten der Energiewende. Die Kurator*innen begleiteten die Menschen in Keyenberg, das im Braunkohleabbaugebiet Garzweiler II liegt, beim Protest, beim Umsiedeln, beim Abschied nehmen und beim Neubeginn. Die Ergebnisse sind in der Wanderausstellung zusammengefasst und geben einen vielschichtigen Einblick in das Leben und die Gefühlswelt der Betroffenen.

In der dreiteiligen Filmdokumentation über die Keyenberger St. Sebastianus Schützenbruderschaft geht es um die tagebaubedingte Umsiedlung des Ortes. Die Feierlichkeiten des letzten großen Festes im alten Dorf stehen ebenso wie die Herausforderungen des Vereins im Prozess der Umsiedlung und die Schwierigkeiten in der Phase des pandemischen Stillstandes im Fokus der Filmtrilogie. Die Umsiedler*innen berichten über das Ankommen am Umsiedlungsstandort Erkelenz-Nord und darüber, ob und wie Heimat und Gemeinschaft dort neu entstehen können.

Mit dem Projektteam "geSCHICHTEN Rheinisches Revier" habe ich bei weiteren Exkursionen und Tagungen sowie in zahlreichen Gesprächen viel rund um das Leben im Braunkohlerevier erfahren und unterschiedliche Akteur*innen in der Region kennengelernt, die den Transformationsprozess im Rheinischen Revier begleiten.

Heute freue ich mich als Mitarbeiterin des Projektteams auf viele geSCHICHTEN von Ihnen und Euch, damit wir gemeinsam ein vielschichtiges Bild des Rheinischen Reviers zeichnen und der Kultur und den Menschen in der Region eine starke Stimme im Transformationsprozess geben können.

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