Löscharbeiten in den frühen Morgenstunden des 17.04.23 (© Foto: Inga Dohmes)

Es war gegen 4:10 Uhr am Morgen des 17. April 2023, als uns ein hartnäckiges Handyklingeln aus dem Schlaf riss. Am anderen Ende der Leitung war Bürgermeister Georg Gelhausen, er sagte nur: „Eure alte Kirche brennt!“ Wie vom Blitz getroffen sprang ich aus dem Bett und stand 20 Minuten später völlig fassungslos vor der brennenden Kirche. Das Dach des Kirchenschiffs war bereits eingestürzt und die Feuerwehrdrohne kreiste über dem Turm, aus dem noch immer Flammen loderten.

Obwohl evangelisch, hat mich diese Kirche seit meiner Kindheit begleitet. Als Kinder unternahmen wir viel mit unserem „Pastor“ Helmut Kaiser, der immer Zeit für uns hatte. Ich nahm mit meinen Freundinnen am Kommunionsunterricht teil und saß bei ihrer Erstkommunion in der ersten Reihe – etwas traurig, weil ich ja zur Konfirmation nach Buir „musste“.

Natürlich haben mein Mann und ich dort geheiratet und unsere Kinder taufen lassen. Über 20 Jahre lang wohnten wir direkt gegenüber der Kirche. Es war selbstverständlich, samstags um 19:00 Uhr erst in letzter Sekunde zur Messe zu kommen. Eigentlich hatte fast jeder dort seinen festen Platz. Links die Frauen und rechts die Männer. Die Kinder saßen immer ganz vorne links.

Wer erinnert sich nicht an Herrn Robens, der jahrzehntelang die Orgel spielte. Wenn er bei „Lobet den Herrn“ in die Tasten schlug, vibrierten die Scheiben, noch bevor der erste Ton gesungen wurde. So wie ich haben viele unauslöschliche Erinnerungen an und mit der Kirche. Die meisten wurden dort getauft und haben dort geheiratet, so wie vor ihnen schon ihre Eltern und sogar Großeltern. Wie fast alle in Morschenich, waren unsere Kinder viele Jahre als Messdiener tätig.

Wir hatten dort schöne Erlebnisse, aber auch die traurigen Ereignisse, wie Beerdigungen, bleiben für immer in Erinnerung. Jeder von uns hat viele liebe Freunde, Bekannte und Familienmitglieder dort beerdigt. Unvergessen ist auch, wie sich Pfarrer Hamachers vor der Predigt bei jedem Schützenfest beschwerte, wenn Tambourcorpsmitglieder die Messe schwänzten und stattdessen gegenüber zu einer Tasse Kaffee einkehrten. Manch einer ist sogar unauffällig mit zur Kommunion gegangen, damit es nicht auffiel – hatte man doch offiziell die ganze Zeit über hinten gestanden.

Bei Hochzeiten spannten die Morschenicher Kinder eine Schnur kreuz und quer an der Treppe, sodass es dem Brautpaar unmöglich war, dort hinunterzugehen. Erst nachdem der Bräutigam Kleingeld, meist aus einem Gefrierbeutel in der Hosentasche, in ausreichender Menge die Treppe herunter und den Kindern zuwarf, reichte ihm das älteste Kind eine stumpfe Bastel- oder Nagelschere.

Mittlerweile bin ich übrigens katholisch, meine Erstkommunion und die Firmung fanden natürlich während einer Abendmesse in der Kirche in Morschenich statt. Als Geschenk bekam ich, wie fast alle, ein Fahrrad. Es ist aus Draht und etwa 10 cm groß.

All die Jahre lang klackerten die Fahnenmasten vor der Kirche im Wind, das Geräusch haben wir Nachbarn irgendwann nicht mehr gehört. Wie das Geläut der Glocken gehörte es zum Leben dazu. Nach der für uns sehr emotionalen Entwidmung der Kirche stand sie dennoch weiterhin wie ein Fels in der Brandung im alten Dorf. Es war tröstend zu wissen, dass sie uns nach dem vorgezogenen Ende des Braunkohleausstieges erhalten bleiben sollte. Die ersten Konzerte und Ausstellungen fanden bereits statt und waren gut besucht.

Der Brand am 17. April 2023 traf die Morschenicher vollkommen unvorbereitet. Die Löschgruppe Morschenich, die neben den vielen anderen Löschgruppen vor Ort waren, gab ihr Bestes und löschten noch lange, obwohl bereits alles verloren war. Die meisten ihrer Mitglieder, selbst dort getauft und als Messdiener aktiv, konnten nicht glauben, was dort passierte. Tagelang blieb der Brand in den Medien präsent und viele kamen vorbei, um sich mit eigenen Augen vom Ausmaß der Katastrophe zu überzeugen. Einige der verkohlten Teile konnten gesichert werden und wurden bereits in einer Ausstellung gezeigt. Überraschenderweise überstanden der Wetterhahn und das Kreuz auf dem Dach den Brand nahezu unbeschadet, da das Blitzableiterkabel ihren Absturz verhinderte.

Die Kirche war für so viele Generationen vor uns das Symbol für ihre Heimat und gehörte zum Leben dazu. St. Lambertus hat bereits mehrmals gebrannt und wurde wiederaufgebaut. Ich bin sicher, dass sie demnächst, vielleicht auch als Kunst- und Kulturzentrum, das Symbol für den neuen Ort Bürgewald sein wird.

Aus der Kirche geborgene Gegenstände vor Aufnahmen von Bernd Servos (© Foto: Inga Dohmes)
Schlüssel, die den Brand überstanden (© Foto: Inga Dohmes)
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