Das Wimmelbild „Verwurzelt im Widerstand“ (© Bild: ausgeCO2hlt; Lizenz CC BY S.A.)

Der „Immerather Dom“ steht in der Kohlegrube, eine riesige Spinne sitzt auf dem Klimacamp und ein Schaf hat es sich lesend in einem Baumhaus gemütlich gemacht – das sind nur einige Details aus dem Wimmelbild „Verwurzelt im Widerstand – Bilder aus dem Rheinischen Braunkohlerevier“. Die im Original mehrere Meter große Tuschezeichnung des Künstlers Oliver Scheibler versammelt zahlreiche geSCHICHTEN aus dem Anti-Kohle-Widerstand. Inspiriert ist das Bild vom „True Cost of Coal“-Banner („die wahren Kosten der Kohle“), des beehive collectives, einem aktivistischen Kunstkollektiv. Deren Bild erzählt von den Folgen des Steinkohleabbaus in den Appalachen (USA).

Für das Wimmelbild sammelte die im Rheinischen Braunkohlerevier vernetzte Gruppe ausgeCO2hlt geSCHICHTEN unterschiedlicher Menschen – von Dorfbewohner*innen über Waldbesetzer*innen bis zu den Pacific Climate Warriors aus den pazifischen Inselstaaten. Die Zeichnung zeigt verschiedene Tiere anstelle von Menschen. Damit soll vermieden werden, stereotype menschliche Darstellungen zu reproduzieren.

So stehen etwa das Pferd mit der 15 auf der Nase und die Harfe für die Legende vom heiligen Arnold, der Karl dem Großen den Hambacher Wald abgehandelt haben soll. Laut der Sage soll er so viel Waldfläche ausgehandelt haben, wie er während eines kaiserlichen Festmahls umreiten könne. Für den Ritt nutzte er eine List, denn er hatte sich in den umliegenden fünfzehn Dörfern je ein frisches Pferd bereitstellen lassen. Das Gebiet soll er anschließend den umliegenden Gemeinden geschenkt haben.

Mit den Bannern „Rote Linie“ und „Queer We Go“ verweist das Bild auf verschiedene Protestformen der letzten Jahre.

Die Riesenspinne auf dem Klimacamp symbolisiert die Übersetzungstools (verkabelte Mikrofone und Kopfhörer) und damit die gemeinsamen Entscheidungen und die Internationalität der Camps und der Proteste.

Die Biene oben links im Bild steht für das beehive-collective; in den Vorderbeinen hält sie dessen True Cost of Coal Banner. Hier zeigt sich nicht nur die Inspiration durch das US-amerikanische Wimmelbild, sondern auch ein Hinweis auf die globale Vernetzung der Bewegung.

Auch die globalen Auswirkungen der Klimakrise finden in einigen Motiven einen Ausdruck, sowie der Widerstand dagegen im Globalen Süden. Eine Meeresschnecke steht für den Besuch der Pacific Climate Warriors in 2017 im Revier. Sie sind unter dem Motto „We are not drowning, we are fighting!“ („Wir ertrinken nicht, wir kämpfen!“) aktiv und schenkten der Klimagerechtigkeitsbewegung in Deutschland eine Meeresschnecke, ein Symbol des Kampfes der vom Klimawandel bedrohten indigenen Gemeinden.

Im Hintergrund neben der oben dargestellten Biene ist eine kleine, palmenbewachsene Insel zu sehen. Durch den ansteigenden Meeresspiegel ist sie jedoch gefährdet. Auch die Vegetation verändert sich mit dem Klimawandel – so existieren die Palmen hier nicht nur auf der Tropeninsel, sondern breiten sich bereits nach Norden, bis an den Rand des Tagebaus aus. Auf dem Meer kreuzt das Schiff Aquarius, eines der privaten Seenotrettungsschiffe im Mittelmeer, was auf den Klimawandel als Fluchtursache hinweist. Viele der im Bild dargestellten geSCHICHTEN verweisen auf die globalen Auswirkungen der Energieproduktion. Damit eignet sich das Bild für Diskussionen über unsere Lebensweise und die damit verbundene Energieproduktion.

Wie ein Wimmelbild für Bildungsarbeit genutzt werden kann: „Woher kommt der Strom für das Internet?“

Das F3_kollektiv kombinierte die geSCHICHTEN des frei verwendbaren Wimmelbilds mit wissenschaftlichen und journalistischen Hintergrundinformationen und entwickelte ein didaktisches Konzept zur (digitalen) Nutzung des Bildungsmaterials. In der Übung „Woher kommt der Strom für das Internet?“ klicken sich die Teilnehmer*innen durch das digitale Wimmelbild. Dabei entwickeln sie ein Bewusstsein für den Stromverbrauch des Internets und der Digitalisierung im Allgemeinen. Sie reflektieren, wie die Höhe des Verbrauchs und die Quellen der Stromproduktion (fossile Energieträger vs. erneuerbare Energien) die Nachhaltigkeit der Digitalisierung stark beeinflussen. Am Beispiel des Rheinischen Braunkohlereviers erfahren sie, wie sich der Stromverbrauch der virtuellen Welt auf das Leben der Menschen in einem Kohle-Abbaugebiet auswirkt. Sie lernen mehr über die bestehenden und zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere für Menschen im Globalen Süden. Außerdem setzen sie sich mit unterschiedlichen Protesten gegen den Kohleabbau auseinander, diskutieren diese kritisch und tauschen sich darüber aus, wie sich die Stromgewinnung für die Digitalisierung aus ihrer Sicht gestalten sollte. Je nach Zielgruppe und Zeit können unterschiedliche Aspekte fokussiert werden.

Digitales Wimmelbild: Ein Klick auf die Pferdenase führt zur Legende des heiligen Arnold (© Bild: ausgeCO2hlt, F3_kollektiv)

Das Bildungsmaterial sowie eine Methodenbeschreibung stehen als Open Educational Resources auf der Website des Kollektivs frei nutzbar zur Verfügung. Das F3_kollektiv hat in Workshops dazu bereits mit verschiedenen Zielgruppen in verschiedenen Kontexten gearbeitet. Dabei hat sich gezeigt, dass sich nicht nur Jugendliche dafür begeistern, das Wimmelbild zu erkunden, sondern auch Erwachsene. Auch ist es sowohl in Präsenz- als auch in Online-Formaten einsetzbar.

Das F3_kollektiv arbeitet ebenfalls mit gering literalisierten Erwachsenen, da mindestens 6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland über eine geringe Lese- und Schreibfähigkeit verfügen. Aus diesen Schwierigkeiten folgt ein eingeschränkter Zugang zu grundlegenden Kenntnissen, was die gesellschaftliche Teilhabe beeinträchtigt. Daher hat das F3_kollektiv zu den Themen, die im Wimmelbild verhandelt werden, Material in einfacher Sprache erstellt. Dabei zeigten sich jedoch Grenzen für die Arbeit mit dem Wimmelbild, denn die komplexe Grafik kommt dabei nicht zum Einsatz.

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