Ausschnitt Ausstellungsplakat, 2024 Haus Spiess

Aufgewachsen in Erkelenz-Keyenberg – Teil des Braunkohletagebaus Garzweiler II – nimmt die Künstlerin MEIKE LOTHMANN in ihrer Kunst eine Bestandsaufnahme ihres Heimatortes vor.

Das drohende Verschwinden des Ortes ihrer Kindheit sensibilisierte sie schon früh, sich mit ihrem jeweiligen Lebensort auseinanderzusetzen. In ihren Werken untersucht Meike Lothmann innere und äußere HEIMATgeSCHICHTEN und deren Auswirkung auf die Landschaft und den Ort. Sie erzählt und entblättert diese, nimmt Bezug auf Vergangenes und den Zustand der Vergänglichkeit. Dabei greift sie Besonderheiten auf, hinterfragt diese, stellt neuen Zusammenhänge dar.

Was kann man bewahren, was verliert man? Erinnerungen der Kindheit, gefunden in der Verlassenheit Keyenbergs, werden zu bewahrenden Installationen, die von Verlust und Zerstörung als Hinterlassenschaften des Tagebaus Garzweiler II erzählen. Es ist alles ein Zustand, der sich ständig wandelt. Die Arbeiten zeigen Momentaufnahmen dieser ständigen Veränderung.

Nach ihrem Abitur 1999 am Cusanus-Gymnasium-Erkelenz absolvierte sie 2003 ihr Studium der Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste Maastricht in den Niederlanden. Danach bezog sie zunächst ihr Atelier in Berlin und Essen, bevor sie Ende 2014 in die Künstlerkolonie Schwalenberg (Ostwestfalen Lippe) zog.

Der Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. holte mit seiner Ausstellung „Meike Lothmann – HEIMAT geSCHICHTEN“ ihre Arbeiten 2024 ins Haus Spiess nach Erkelenz und machte diese damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

KEINE EINSICHT – KEINE AUSSICHT, Ausstellungsansicht 2024/25 (© Foto Meike Lothmann)

KEINE EINSICHT – KEINE AUSSICHT. 2024
Objektinstallation von alten Fenstern auf Holzkonstruktion, Mixed-Media 244×52/62/59×42 cm

Drei alte Fenster erinnern an den verlassenen Heimatort Keyenberg, der dem Tagebau Garzweiler II zum Opfer fallen sollte, jedoch im Jahr 2023 aus dem Abbaugebiet herausgenommen wurde. Fenster lassen Einblicke in das Leben und Ausblicke auf die Umgebung zu, wenn sie nicht geschlossen, verbaut oder verriegelt werden.

Die Entwicklung und unfreiwillige Verwicklung der Orte in diesem Gebiet wird im 1. Fenster-Objekt sichtbar. In Schichten wird der Verlauf des Abbaus gezeigt, der den Lebensfaden der Orte abschneidet.

KEINE EINSICHT – KEINE AUSSICHT, Detail 2. Fenster-Objekt (© Foto: Meike Lothmann)
KEINE EINSICHT – KEINE AUSSICHT, Detail 2. Fenster-Objekt (© Foto: Meike Lothmann)
KEINE EINSICHT – KEINE AUSSICHT, Detail 2. Fenster-Objekt (© Foto: Meike Lothmann)

Gerade die Fenster sind es, die den Verfall und die Leere des Ortes am besten widerspiegeln. Heruntergelassene Rolläden, vergilbte Vorhänge, vorgeschraubte Bretter, die zerbrochene Fenster verbergen, zeugen von der Verlassenheit. Ein Blick durch das Guckloch im 2. Fenster-Objekt macht den Blick auf diese Fenster sichtbar.

Im 3. Fenster-Objekt blickt man vom Rande des Ortes direkt auf die vielen Erdschichten, die für wenige Schichten Braunkohle freigelegt wurden. Es ist fast schon ein intimer Blick in unsere wunderbare Mutter Erde, freigelegt nur durch eine vom Menschen zugefügte Wunde.

Archiv eines Zustands, Ausstellungsansicht 2023 (© Foto: KRAUTin / Martin Zellerhoff)

ARCHIV eines Zustands. 2023
Rauminstallation mit diversen Materialien Archiv-Boxen I – XI, je Box 60 x 90 x 22 cm

Die Rauminstallation setzt sich mit dem aktuellen Zustand des Ortes Keyenberg im Jahr 2023 auseinander. Das über 1100 Jahre alte Keyenberg wurde für den geplanten Braunkohleabbau bereits umgesiedelt und steht zu 98 % leer. Leerstand, Verfall, Plünderungen prägen den Ort. Materialien verweisen auf Bekanntes, das dem Verfall ausgesetzt ist, und an Gelebtes, halten Erinnerungen fest.

Wie wollen sie das unter den Teppich kehren? Ausstellungsansicht 2023 (© Foto: KRAUTin / Martin Zellerhoff)

Wie wollen sie das unter den Teppich kehren? 2023
Objektinstallation eines Wandteppichs mit diversen Materialien 240 x 200 cm

Die Tage und Nächte sind kaum zu zählen, an denen der Bagger ein gigantisches Loch beim Braunkohletagebau Garzweiler II in die Landschaft gegraben hat. Welche Formen er erst in der Landschaft hinterlässt, ermöglicht ein Blick von oben. Hier zeigt sich, wie der Tagebau sich in die ursprüngliche Struktur der Kulturlandschaft hineingräbt. Diese Form ist eine wandelnde, die sich immer weiter in die Landschaft ausbreitet und sie extrem verändert – solange, bis der letzte Tropfen Energie der Kohle entnommen wurde.

gechichtete KINDHEIT: Rheinbraun, Ausstellungsansicht 2023 (© Foto: KRAUTin / Martin Zellerhoff)

geschichtete KINDHEIT: Rheinbraun. 2022
Stoff, Acryl, Papier, Farbstift, Nähgarn auf Leinwand, ca. 440 x 120 cm

Der Verlust der Heimat durch den Tagebau Garzweiler II und die anschließende Flutung sind Thema dieser Arbeit. Das Kunstwerk macht sichtbar, was später mit Wasser bedeckt im Unsichtbaren bleibt, wenn der Tagebau geflutet mit Rheinwasser zu einem See wird. Die Erdschichten – vom Tagebau freigelegt – werden von Stoffstücken symbolisiert, die direkt aus der Kindheit und Jugend stammen und geSCHICHTEN erzählen. Es sind Erinnerungsstücke an ein Leben in der Heimat, die es so nicht mehr gibt. Nur noch Fensterrahmen verweisen auf die einstigen Behausungen.

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