Von der Zeche zur Brauerei
Ein Braunkohlebergwerk in Köln Kalk
Das Rheinische Revier und das rechtsrheinische Köln könnten auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein. Dort die Dörfer, Klein- und Mittelstädte des Reviers, zwischen ihnen die gigantischen Kohlegruben. Hier, mitten in Köln, dagegen die eng bebauten, belebten und viel befahrenen Geschäftsstraßen. Obwohl der Bergbau weit weg zu sein scheint, haben die beiden Orte mehr gemeinsam, als auf den ersten Blick ersichtlich ist: Denn auch hier liegt Braunkohle, die einst gefördert werden sollte. Im Stadtbild erinnert heute kaum etwas daran, doch wer aufmerksam durch Köln Kalk läuft, entdeckt an der Sünner Brauerei den Schriftzug „Zechen-Brauerei“ – flankiert von den Bergbauzeichen Schlegel und Eisen. Wie kamen sie an diesen Ort, und warum finden wir sie ausgerechnet an einer Brauerei?
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich Kalk zu einem beliebten Ausflugsort für Bewohner*innen der Städte Köln und Deutz* entwickelt. Wie Gereon Roeseling im Buch „Zwischen Rhein und Berg“ darlegt, errichteten „Stadtbewohner hier draußen in der guten Luft Landhäuser, heute würde man sie Wochenendhäuser nennen.“ Die Wallfahrtskapelle des Ortes machte Kalk zu einem beliebten Ziel für „fromme Sonntagsausflüge“, es wurden aber auch Gastronomien und 1860 ein Tanzsaal errichtet. Noch 1843 lebten gerade einmal 96 Menschen in Kalk.

Mit dem Bau der Eisenbahn setzten jedoch rasante Veränderungen ein. Industrielle Ansiedlungen folgten, darunter die 1856 gegründete „Maschinenfabrik für den Bergbau“, die spätere Humboldt AG. Sie produzierte etwa Verlade-Einrichtungen, Erzwäschen und Kohlewäschen und ihre Geräte wurden bald weltweit eingesetzt. Doch es sollte nicht nur bei der Maschinenfertigung bleiben, denn auch vor Ort versuchten sich Unternehmer im Bergbau. 1856 entdeckte ein Konsortium Kohle unterhalb von Kalk und erhielt das Recht zum Abbau des 35 Meter tief liegenden Flözes. Die Zeche „Neu-Deutz“ wurde errichtet, litt jedoch fortwährend unter Grundwasser, das in den Schacht einbrach. So berichtete etwa „Der Berggeist: Zeitung für Berg-, Hüttenwesen u. Industrie“ im Jahr 1860, dass „es nicht gelingen wollte, die massenhaft zusitzenden Wasser zu wältigen.“ Nachdem „Neu-Deutz“ 1868 endgültig den Betrieb eingestellt hatte, erwarb die Sünner Brauerei das Gelände. Anders als dem Bergwerksbetrieb kam ihr das Wasser im Schacht gelegen, sie nutzte ihn als Brunnen, um das nötige Brauwasser zu erhalten. Neben der Brauerei eröffnete das Garten-Restaurant „Zur Zeche“. Der heutige Biergarten auf dem Gelände trägt zwar nicht mehr diesen Namen, jedoch befindet sich nur wenige Meter entfernt auch heute noch die Zechenstraße.
Nur wenig erinnert an die kurze Zeit des Bergbaus in Köln Kalk. Die heute noch sichtbaren Bezüge zwischen der ehemaligen Zeche und der Brauerei sind jedoch ein lebendiges Zeugnis für den kontinuierlichen Wandel von Bergbau- und Industrieregionen.

* Zu dieser Zeit waren Köln und Deutz eigenständige Städte. Deutz wurde erst 1888 nach Köln eingemeindet. Das angrenzende Kalk erhielt erst 1891 das Stadtrecht und wurde 1910 Teil von Köln.