„Ech jonn no ming Omma, die kann richtich platt“
Eine kleine Einführung in den Erkelenzer Dialekt
Spätestens seit der Protestbewegung in Lützerath ist die Stadt Erkelenz auch über die Grenzen des Rheinlandes bekannt. Aber nicht nur aus politischer Sicht ist Erkelenz interessant, sondern auch aus sprachlicher. Zwar wird der Dialekt dort heutzutage immer seltener gesprochen, aber es lassen sich dennoch natürlich einige lautliche und grammatische Eigenschaften dieser südniederfränkischen Sprachvarietät bestimmen. Einige dieser Eigenschaften schauen wir uns einmal genauer an.
So spricht man im Erkelenzer Dialekt j statt g, sowohl am Anfang als auch innerhalb des Wortes. Dann hört man beispielsweise Jeschichte ‚Geschichte‘, Jrass ‚Gras‘, üverjlöcklich ‚überglücklich‘ oder Bürjermeester ‚Bürgermeister‘. Eine weitere Besonderheit ist, dass Wörter mit pf wie Pferd und Äpfel nur ein p aufweisen: In Erkelenz sagt man nämlich Päed und Äppelkes. Ebenso gibt es den ch-Laut nicht wie in Milch, stattdessen hören wir Melk. Das hat damit zu tun, dass historisch die zweite Lautverschiebung nicht stattgefunden hat. Die Laute p, t und k sind erhalten geblieben und nicht zu pf/f, ts/s und ch verschoben worden.
Schauen wir uns einmal die Wörter op ‚auf‘, gelope ‚gelaufen‘, och ‚auch‘, Ogebleckske ‚Augenblick‘ an. Fällt Ihnen etwas auf, wenn Sie die dialektalen Begriffe mit ihren Entsprechungen im Standard vergleichen? All diese Beispiele haben eines gemeinsam: In der Standardsprache weisen sie einen Diphthong (Zwielaut) auf, der im Dialekt von Erkelenz fehlt. Diphthonge entstanden erst mit der sogenannten Neuhochdeutschen Diphthongierung, einem Lautwandel, der sich ab dem 12. Jahrhundert von Südosten im deutschen Sprachraum ausbreitete, aber u. a. die ripuarischen Dialekte nicht betraf: Die Laute i, u, und ü entwickelten sich zu ei, au und eu/äu. Vor diesem Gesichtspunkt ist es besonders interessant, dass auch der entgegengesetzte Wandel in der Mundart der Stadt aufzufinden ist – in Form der ei-Monophthongierung. Wörter, die im Standarddeutschen den Zwielaut ei aufweisen, zeigen im Dialekt von Erkelenz ein langes e: kleen ‚klein‘, Been ‚Bein‘, Steen ‚Stein‘, meent ‚meint‘ und weet ‚weiß‘ genannt.
Auffällig ist auch der u–o-Gegensatz (standardsprachlich bunt – dialektal [bont]), der im Rheinischen häufig vorkommt, so auch im Erkelenzer Platt: joot ‚gut‘, Moot ‚Mut‘, Koh ‚Kuh‘ und bonk ‚bunt‘. Moment mal – bonk? Das sieht doch aus wie ein Tippfehler. Tatsächlich handelt es sich hier um einen weiteren lautlichen Aspekt, der eigentlich ein typisches Merkmal des angrenzenden ripuarischen Sprachraums ist– die sogenannte Rheinische Velarisierung. In der Sprachwissenschaft versteht man hierunter, dass statt eines n, t oder nt der Laut ng, nk oder k gesprochen wird, wie in Kengk ‚Kind‘ oder Hongk ‚Hund‘. Auch in Sätzen wie Ech jonn no ming Omma, die kann richtich platt, su wie minge Oppa, und dann li’er ech dat. (Liedtext von Theo Schläger) ist diese Rheinische Velarisierung zu finden.
Mit ming Omma und minge Oppa kommen wir auch direkt zu einer grammatischen Besonderheit des Erkelenzer Dialektes. Wo im Standarddeutschen Besitzanzeigen mithilfe des Genitivs (Wessen-Fall) gebildet werden, nutzt man im Erkelenzer Platt ein besitzanzeigendes Fürwort, in diesem Fall ming/e ‚mein/e‘, ‚ich geh zu mein Opa‘ statt ‚ich geh zu meinem Opa‘. Dies bezeichnet man in der Sprachwissenschaft auch als possessiven Dativ. Das klingt für Sprecher*innen des Standarddeutschen erstmal falsch – ist aber in vollkommen korrekt, denn Mundarten haben zum Teil ganz andere Grammatikregeln als das „Hochdeutsche“.
Nicht zuletzt ist zudem die Bildung der Verkleinerungsform für den Dialekt von Erkelenz charakteristisch. So wird an das Substantiv jeweils –ke in der Einzahl oder –kes in der Mehrzahl angehängt, um Zuneigung und Verniedlichung oder Verkleinerung auszudrücken. Appelbömkes, Äppelkes, Vügelkes, Ogebleckske, Stöckske sind einige Beispiele dafür. Theo Schläger nutzt in seinem Liederheft für Kinder noch weitere solcher Verkleinerungsformen, die nach dem gleichen Muster gebildet werden: So sind hier Ääpke, Treppke, Jäckske zu finden.
Mit dem Erhalt der Erkelenzer Dörfer Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Berverath bleibt zu hoffen, dass auch der Dialekt lebendig bleibt.
Überarbeitet für geSCHICHTEN von Eleonore Laubenstein.